Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
9C 417/2010
Urteil vom 21. Oktober 2010
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Kernen, Seiler,
Gerichtsschreiber Fessler.
Verfahrensbeteiligte
K.________, vertreten durch Rechtsanwalt Peter Fertig, Beschwerdeführerin,
gegen
Ausgleichskasse des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Alters- und Hinterlassenenversicherung (Beitragspflicht),
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 29. März 2010.
Sachverhalt:
A.
Mit Verfügungen vom 23. Oktober 2003 erhob die Ausgleichskasse des Kantons Zürich bei der im Nebenberuf als Selbständigerwerbende im Handel mit Immobilien angeschlossenen K.________ persönliche Beiträge für 1993 bis 1996. Bemessungsgrundlage bildeten die vom Steueramt des Kantons Zürich, Abteilung Direkte Bundessteuer, gemeldeten Einkommen dieser Jahre sowie das im Betrieb arbeitende eigene Kapital per 1. Januar 1995 und 1997. Nachdem das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 9. November 2004 die Rechtzeitigkeit der Beitragsfestsetzung festgestellt hatte und nach Rückzug der hiegegen erhobenen Verwaltungsgerichtsbeschwerde, bestätigte die Ausgleichskasse - nach Kenntnisnahme vom Revisionsentscheid der Veranlagungsbehörde Steuerperiode 1995/96 vom 11. April 2008 - mit Einspracheentscheid vom 26. Mai 2008 die angefochtenen Beitragsverfügungen.
B.
Die Beschwerde der K.________ wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich nach zweifachem Schriftenwechsel mit Entscheid vom 29. März 2010 ab.
C.
K.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und subsidiäre Verfassungsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren, der Entscheid vom 29. März 2010 sei aufzuheben und festzustellen, dass sie für die Jahre 1993 bis 1996 keine AHV-Beiträge mehr schulde, eventualiter die Sache zur neuen Beurteilung im Sinne der materiellen Begründung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das kantonale Sozialversicherungsgericht, die Ausgleichskasse und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen:
1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist zulässig (Art. 82 lit. a



2.
Die Frage der Verjährung der Beitragsfestsetzung für 1993 bis 1996 nach Art. 16

3.
Ob der Gewinn aus dem Kauf und Verkauf von Liegenschaften beitragspflichtiges Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit im Sinne von Art. 9 Abs. 1


4.
Nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen der Vorinstanz hatte die Beschwerdeführerin im fraglichen Zeitraum (1993-1996) in eigenem Namen Liegenschaften gekauft und verkauft. Die Geschäfte wurden entweder im Rahmen von Treuhandverträgen mit der Firma I.________ AG abgewickelt, oder sie wurde dabei von ihrem Vater vertreten, welcher gemäss ihren Vorbringen Hauptaktionär mit Generalvollmacht dieser Gesellschaft war. Die Kriterien für beitragspflichtigen Liegenschaftenhandel (vorne E. 3) sind bei der Firma I.________ AG bzw. beim Vater der Beschwerdeführerin als gegeben zu betrachten. Es stellt sich somit die ohne Bindung an diesbezügliche steuerrechtliche Feststellungen frei zu prüfende Frage (Art. 23 Abs. 1


4.1
4.1.1 Handelt eine Person in eigenem Namen, aber auf Rechnung und Gefahr eines Dritten, ohne auf das bestehende Vertretungsverhältnis hinzuweisen und ohne dass ein solches aus den Umständen hervorgeht, treten die Rechtswirkungen ihrer Erklärungen unmittelbar bei ihr ein, es sei denn, dem Dritten sei gleichgültig, mit wem er einen Vertrag abschliesst (Art. 32 Abs. 2





Verwaltungsrats einer Aktiengesellschaft nach Art. 52


4.1.2 Im Steuerrecht wird bei Treuhandverhältnissen unter bestimmten Voraussetzungen auf das Innenverhältnis abgestellt, mithin das Einkommen und Vermögen beim Treugeber besteuert (StE 2008 B 24.1 Nr. 5, 2C 387/2007 E. 4.2; Urteil A.592/1987 vom 8. Juli 1988 E. 3b), sofern ernsthafte wirtschaftliche Motive zugrunde liegen, namentlich damit keine Steuerumgehung verbunden ist (ASA 58 S. 516, A.908/1984 E. 2c; Peter Locher, Kommentar zum DBG, Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, I. Teil, 2001, N. 147 ff. der Vorbemerkungen; Felix Richner und Andere, Handkommentar zum DBG [Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer], 2. Aufl. 2009, N. 45 ff. der Vorbemerkungen zu Art. 16


die den für derartige Dienstleistungen handelsüblichen Ansätzen entspricht und im Vertrag genau festzuhalten ist. 5. Das Treugut muss in der Bilanz des Treuhänders klar als solches ersichtlich sein. 6. Über das Treugut sowie die Ansprüche und Verpflichtungen des Treugebers sind in der Buchhaltung des Treuhänders besondere Konti zu eröffnen und zu führen (StE 2008 B 24.1 Nr. 5, 2C 387/2007 E. 4.3).
Der Nachweis eines behaupteten Treuhandverhältnisses obliegt der steuerpflichtigen Person und kann grundsätzlich nur dann erbracht werden, wenn schriftliche Abmachungen zwischen Treugeber und Treuhänder aus der Zeit der Begründung der Treuhand vorliegen (StE 2008 B 24.1 Nr. 5, 2C 387/2007 E. 4.2; ASA 60 S. 558, 2A.318/ 1990 E. 2b). Fehlt es an einer klaren schriftlichen Abmachung, so darf ein (indirektes) Vertretungsverhältnis nur angenommen werden, wenn sich aus den Umständen eine eindeutige Willensäusserung der steuerpflichtigen Person auf Bevollmächtigung einer Drittperson ergibt. Andernfalls gilt die natürliche Vermutung, dass keine Vollmacht erteilt wurde (ASA 67 S. 391, 2A.451/1996 E. 2b; Urteil 2A.567/1996 vom 15. März 1999 E. 2b). Die im erwähnten Merkblatt aufgeführten formellen Voraussetzungen für das Vorliegen eines Treuhandverhältnisses sind nicht unabdingbare Voraussetzung für dessen steuerliche Anerkennung. Ein Nachweis ist auch auf andere Weise möglich, muss aber in jedem Fall eindeutig sein; er ist nicht erbracht, wenn die angeblich treuhänderisch gehaltenen Aktiven in der Buchhaltung nicht ausgeschieden sind (ASA 72 S. 736, 2A.79/2002 E. 5.2; Urteil 2A.9/2005 vom 27. Oktober 2005 E. 2.3).
4.2 Im AHV-Recht folgt die Bestimmung der beitragspflichtigen Person in Bezug auf Erwerbseinkommen bei Treuhandverhältnissen, Treugeber (Fiduzient) oder Treuhänder (Fiduziar), nicht in jedem Fall der steuerrechtlichen Zuordnung. Im Zusammenhang mit treuhänderisch tätigen Kollektiv- und Kommanditgesellschaftern hat die Rechtsprechung festgehalten, dass sich die AHV-Beitragsordnung getreu dem Postulat lückenloser Erfassung des Erwerbseinkommens in der Regel nach den nach aussen kundgemachten rechtlichen Verhältnissen richtet (BGE 101 V 81 E. 3 S. 84 f.; 98 V 191 E. 3 S. 192; EVGE 1967 S. 227 E. 3). Der einschlägige Art. 20 Abs. 3

Beitragsumgehung (BGE 98 V 191 E. 3 S. 193).
4.3 Im Lichte der in E. 4.1 und 4.2 dargelegten Grundsätze kann offenbleiben, ob in Bezug auf den Kauf und Verkauf von Liegenschaften in eigenem Namen im Zeitraum 1993 bis 1996 zivilrechtlich von einem Treuhandverhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und der Firma I.________ AG bzw. ihrem die Gesellschaft beherrschenden Vater auszugehen ist oder ein solches lediglich simuliert war. Nach Lage der Akten könnten steuerrechtlich jedenfalls die Voraussetzungen für die Annahme eines Treuhandverhältnisses mit entsprechender Steuerpflicht dieser Gesellschaft als Treugeberin auf den Gewinnen nicht als erfüllt betrachtet werden. Von den massgebenden Kriterien (vorne E. 4.1.2) sind lediglich die ersten beiden (zumindest bezüglich einiger der Liegenschaften) gegeben. Die weiteren Kriterien sind nicht nachgewiesen (3 und 4) oder werden nicht einmal behauptet (5 und 6). Im Übrigen betrifft der Umstand, dass das Steueramt angeblich, "als es erfuhr, wie die Geschäfte abgelaufen sind", ab 1999 bei der Beschwerdeführerin keine Steuern auf den "gestützt auf die Treuhandverhältnisse erzielten Gewinne" mehr erhob, einen anderen Zeitraum. Darin könnte auch kein steuerrechtlich belangloser, sozialversicherungsrechtlich aber bedeutsamer Umstand
erblickt werden, welcher dem Sozialversicherungsgericht erlaubte, von den rechtskräftigen Steuerveranlagungen für 1993 bis1996 abzuweichen (BGE 110 V 83 E. 4 S. 86; SVR 2007 AHV Nr. 11 S. 29, H 64/06 E. 3.3 mit Hinweisen). Schliesslich kann auch offenbleiben, ob die Beschwerdeführerin im Innenverhältnis an den Liegenschaften wirtschaftlich berechtigt war und ob sie den Gewinn an die Firma I.________ AG abzuliefern hatte, wie sie vorbringt. AHV-rechtlich entscheidend ist, dass sie sich bei der Ausgleichskasse als selbständige Liegenschaftenhändlerin im Nebenberuf angemeldet hatte und nach aussen auch als solche auftrat. Insbesondere unterschrieb sie die Treuhandverträge mit dieser Firma. Ebenfalls deklarierte sie die gehandelten Liegenschaften in ihrer Steuererklärung. Dass sie zu Gunsten ihres Vaters eine Generalvollmacht ausgestellt hatte, ist nicht von Bedeutung. Es betrifft dies lediglich das Innenverhältnis. Es kommt dazu, dass offenbar die Firma I.________ AG keine der gekauften und verkauften Liegenschaften je in ihrer Bilanz aktiviert hatte, wie in der von einer Treuhandfirma im Namen und im Auftrag der Beschwerdeführerin verfassten Eingabe vom 25. August 2006 an das Kantonale Steueramt Zürich betreffend die Revision der
rechtskräftigen Veranlagungsverfügungen 1995/96 und 1997/98 festgehalten wurde. Die mit dem Kauf und Verkauf dieser Liegenschaften erzielten Gewinne konnten somit nicht der Firma I.________ AG zugeordnet werden, weshalb sie im Sinne lückenloser Erfassung des Erwerbseinkommens resp. der Verhinderung einer Beitragsumgehung (vorne E. 4.2) von der Beschwerdeführerin zu verabgaben sind.
4.4 In masslicher Hinsicht hat die Vorinstanz festgestellt, es fehlten Anhaltspunkte in den Akten für ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der von der zuständigen Steuerbehörde gemeldeten Erwerbseinkommen. Es sei daher nicht zu beanstanden, dass die Ausgleichskasse die persönlichen Beiträge für 1993 bis 1996 auf dieser Grundlage festgesetzt habe. Die Beschwerdeführerin legt nicht hinreichend substanziiert dar, inwiefern die rechtskräftigen Steuerveranlagungen für 1995/ 96 und 1997/98 im Quantitativ klar ausgewiesene Irrtümer enthalten, die ohne weiteres richtig gestellt werden können (SVR 2007 AHV Nr. 11 S. 29, H 64/06 E. 3.3). Die Beschwerde ist somit auch in diesem Punkt unbegründet. In diesem Verfahren nicht zu prüfen ist die Frage der Herabsetzung oder des Erlasses der Beiträge (Art. 11

5.
Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2

SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |
6.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1

SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 6'000.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 21. Oktober 2010
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Meyer Fessler