Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal
Abteilung II
B-1729/2009
{T 1/2}
Urteil vom 7. Juli 2009
Besetzung
Richter David Aschmann (Vorsitz), Richter Marc Steiner, Richter Hans Urech,
Gerichtsschreiber Philipp J. Dannacher.
Parteien
Biotech International, 305, Allées de Craponne, FR-13300 Salon de Provence,
vertreten durch Rechtsanwältin lic. iur. Sabine Simkhovitch-Dreyfus, Cabinet Mayor Avocats, 6, rue Eynard, 1205 Genf,
Beschwerdeführerin,
gegen
Franz Sutter, 3806 Bönigen b. Interlaken,
vertreten durch Fürsprecher Prof. Dr. iur. Eugen Marbach, Fuhrer Marbach & Partner, Konsumstrasse 16 A, 3007 Bern,
Beschwerdegegner,
Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum IGE,
Stauffacherstrasse 65, 3003 Bern,
Vorinstanz.
Gegenstand
Verfügung vom 13. Februar 2009 betreffend EP Patente Nr. 01100395-96; Widerruf der Eintragung einer ausschliesslichen Lizenz.
Sachverhalt:
A.
Am 8. Oktober 2001 räumte der Beschwerdegegner der Beschwerdeführerin in einem Lizenzvertrag eine exklusive Lizenz an zwei Patenten im Zusammenhang mit Zahnimplantaten ein, die auf seinen Namen im Schweizerischen Patentregister registriert sind. Der Vertrag gibt beiden Seiten das Recht, das Vertragsverhältnis im Fall schwerer Vertragsverletzungen ("significant contract violations") zu kündigen. Als Beispiel einer solchen schweren Vertragsverletzung erwähnt er unter anderem das Nichteinhalten der Zahlungsfristen für die vierteljährlich zu entrichtenden Lizenzgebühren.
B.
Im April 2008 erinnerte der Beschwerdegegner die Beschwerdeführerin in mehreren Schreiben und unter Ansetzung von Nachfristen an eine fällige Lizenzgebühr. Mit Schreiben vom 28. April 2008 forderte er sie auf, die Zahlung bis zum 6. Mai 2008 zu leisten, und drohte, dass er die Erfüllung des Vertrages sonst einstellen und Schadenersatz geltend machen werde.
C.
Die Beschwerdeführerin beauftragte am 30. April 2008 ihre französische Bank, den gemahnten Betrag zu überweisen. Die Zahlung wurde jedoch erst nach Ablauf der Nachfrist, am 7. Mai 2008, auf dem schweizerischen Konto des Beschwerdeführers gutgeschrieben. Mit Schreiben vom 8. Mai 2008 trat der Beschwerdegegner vom Lizenzvertrag zurück und kündigte diesen zugleich mangels pünktlicher Bezahlung der Lizenzgebühr. In der weiteren Diskussion zwischen den Parteien bestritt die Beschwerdeführerin eine gültige Auflösung des Vertrags und hielt am Bestehen ihrer Exklusivlizenz fest.
D.
Am 28. Januar 2009 beantragte die Beschwerdeführerin beim Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum ("Vorinstanz"), ihre exklusive Lizenz zulasten der lizenzierten Patente im Patentregister vorzumerken. Die Vorinstanz verfügte die Vormerkungen am 29. Januar 2009. Sie vollzog sie am 30. Januar 2009 im Register.
E.
Mit Schreiben vom 6. Februar 2009 ersuchte der Beschwerdegegner die Vorinstanz um Wiedererwägung und Widerruf, eventuell Löschung der beiden Vormerkungen. Zur Begründung führte er aus, dass die Lizenz mit der Auflösung des Lizenzvertrages untergegangen sei.
F.
Die Vorinstanz hiess dieses Gesuch mit Verfügung vom 13. Februar 2009 im Hauptpunkt gut und verfügte den Widerruf der Vormerkungen, die sie im Register auch gleichentags löschte. Zur Begründung führte sie aus, die vom Beschwerdegegner vorgebrachten Tatsachen liessen darauf schliessen, dass der Lizenzvertrag nicht rechtswirksam sei. In Kenntnis dieser Sachlage hätte sie die Eintragung nicht vorgenommen.
G.
Die Beschwerdeführerin führte am 17. März 2009 gegen diesen Widerruf Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht und beantragte:
"1. Die Zulässigkeit der vorliegenden Beschwerde, welche fristgemäss bei der zuständigen Instanz eingereicht wurde, sei zu bestätigen.
2. Der beanstandeten Verfügung vom 13. Februar 2009 sei die aufschiebende Wirkung anzuerkennen
3. Die vorliegende Beschwerde sei gutzuheissen.
4. Die Verfügung des Eidgenössischen Institutes für geistiges Eigentum vom 13. Februar 2009 in obenerwähnter Angelegenheit sei aufzuheben.
5. Das Wiedererwägungsgesuch von Herrn Sutter vom 6. Februar 2009 sei abzuweisen.
6. Die Eintragung der exklusiven Lizenz zu Gunsten von Biotech bei den EP Patenten Nr. 01100395/01100396 sei zu bestätigen, und die Lizenz - falls gelöscht - wieder einzutragen.
7. Der Beschwerdegegner sei zur Übernahme der Gerichts- und Anwaltskosten der Beschwerde zu verurteilen.
8. Allfällige andere Anträge des Beschwerdegegners seien abzuweisen."
Zur Begründung führte sie aus, der Beschwerdegegner beabsichtige den Abschluss neuer Lizenzverträge, weshalb sie die Eintragung ihrer Lizenz zur Wahrung ihrer Rechte veranlasst habe. Die Vertragskündigung sei missbräuchlich erfolgt, da sie erst ausgesprochen wurde, als das Geld eingetroffen war, und weil keiner der im Vertrag genannten "significant contract violations" erfüllt sei. Auch sei die Wiedererwägung der Vorinstanz zu Unrecht erfolgt, da Art. 106 der Patentverordnung (SR 232.141, PatV) dafür eine ausdrückliche Verzichtserklärung oder ein anderes gleichwertiges Dokument voraussetze, und weil eine ausdrücklich bestrittene und einseitige Willenserklärung den Beweiswert einer beidseitig unterzeichneten Urkunde nicht aufhebe.
H.
Am 24. März 2009 verfügte das Bundesverwaltungsgericht die vorläufige Wiedereintragung der Lizenz ins Patentregister bis zum rechtskräftigen Abschluss des Beschwerdeverfahrens, was die Vorinstanz am 1. April 2009 vollzog. Am 30. März 2009 überwies die Vorinstanz zudem das Wiedererwägungsgesuch des Beschwerdegegners vom 6. Februar 2009 ans Bundesverwaltungsgericht mit dem Hinweis, dass diese Eingabe möglicherweise als Beschwerde gegen den Registereintrag vom 28. Januar 2009 angesehen werden könne.
I.
Der Beschwerdegegner ersuchte mit Schreiben vom 24. und 31. März 2009 um ein beschleunigtes Verfahren, Akteneinsicht und baldige Fristansetzung zur Beschwerdeantwort. Der strittige Registereintrag wirke sich für ihn "äusserst negativ" aus.
J.
Mit Beschwerdeantwort vom 11. Mai 2009 beantragte der Beschwerdegegner, die Beschwerde unter Kosten- und Entschädigungsfolge abzuweisen. Eventualiter sei die Beschwerdeführerin zu verpflichten, unter Androhung der Löschung des Registervermerks im Unterlassungsfall, binnen gerichtlich zu bestimmender Frist eine Sicherheitsleistung von mindestens Fr. 500'000.- zu leisten. Zur Begründung machte er geltend, dass im Gesetz nur lückenhaft geregelt sei, ob ein Lizenznehmer nach Beendigung des Lizenzvertrags noch die Vormerkung seiner Lizenz verlangen könne. Doch dürfe eine solche Eintragung die zivilrechtliche Auseinandersetzung zwischen den Parteien nicht präjudizieren, weshalb die Vorinstanz den Lizenzeintrag zurecht widerrufen habe. Die von der Beschwerdeführerin gewollte Registersperre sei vom Zivilrichter zu erlassen. Da es nicht um einen Antrag des Patentinhabers auf Löschung von eingetragenen Drittrechten im Sinne von Art. 106

K.
Die Vorinstanz beantragte mit Vernehmlassung vom 3. Juni 2009 die Abweisung der Beschwerde unter Kostenfolge. Verfügungen seien grundsätzlich widerrufbar und die Voraussetzungen dafür vor Eintritt der formellen Rechtskraft der Verfügung weniger streng zu beurteilen. Hätte die Vorinstanz gewusst, dass der Beschwerdegegner das Bestehen der Lizenz bestreitet, hätte sie diesen angehört und von einer Vormerkung abgesehen. Zwar habe die Vorinstanz im Spannungsverhältnis zwischen Inhaber und Lizenznehmer nicht abschliessend über die Wirksamkeit des einer Lizenz zugrundeliegenden Rechtsgeschäfts zu befinden, doch dürfe sie den vorgelegten Unterlagen keinen genügenden Beweiswert im Sinne von Art. 105 Abs. 2

L.
Eine Parteiverhandlung wurde nicht durchgeführt (Art. 40

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Das Bundesverwaltungsgericht ist zur Beurteilung von Beschwerden gegen Verfügungen der Vorinstanz in Patentsachen zuständig (Art. 31





1.2 Anfechtungsobjekt ist die Widerrufsverfügung der Vorinstanz vom 13. Februar 2009. Gegen ihre Verfügung vom 29. Januar 2009 hat der Beschwerdegegner keine Beschwerde erhoben; die Vorinstanz hat seine Eingabe vom 6. Februar 2009 aufgrund der darin gestellten Hauptanträge zurecht als Wiedererwägungsgesuch und nicht als Beschwerde entgegengenommen. Aufgrund der von ihr gewährten Wiedererwägung wie auch im Fall einer allfälligen Gutheissung der vorliegenden Beschwerde durch das Bundesverwaltungsgericht wäre eine solche Beschwerde zudem gegenstandslos geworden (Art. 58 Abs. 3



Zu prüfen ist damit die Widerrufsverfügung vom 13. Februar 2009.
2.
2.1 An die Zulässigkeit des Widerrufs einer nicht rechtskräftig gewordenen Verfügung werden in der Regel geringe Anforderungen gestellt. Grundsätzlich darf eine Behörde, ohne dass besondere Voraussetzungen erfüllt sein müssen, auf eine unangefochtene Verfügung zurückkommen, solange die Rechtsmittelfrist nicht abgelaufen ist (Art. 58 Abs. 1

2.2 Vorliegend hat die Vorinstanz ihre Verfügung vom 29. Januar 2009 noch während der Rechtsmittelfrist am 13. Februar 2009 widerrufen (Art. 50 Abs. 1



Die angefochtene Verfügung äussert sich nur im Rahmen des Eintretens auf das Wiedererwägungsgesuch zur Widerrufbarkeit der ersten Verfügung und wägt die involvierten Interessen nicht ab. Auch wenn die Vorinstanz in ihrer Vernehmlassung erwähnt, dass das Interesse des Beschwerdegegners angesichts der - ihr zufolge - nachträglich festgestellten Unrichtigkeit der Eintragung, unterbliebenen Anhörung des Beschwerdegegners und ihm gegenüber unterlassenen Eröffnung der ersten Verfügung den Widerruf gerechtfertigt hätte, befasste sie sich mit dem Interesse der Beschwerdeführerin an den Vormerkungen unvollständig.
3.
Als erstes ist damit der Widerruf der Vormerkungen in einer Abwägung der materiellen Rechtswirkungen derselben zu prüfen.
3.1 Art. 105 Abs. 1 Bst. d


3.2 In der Lehre ist zudem umstritten, ob auch die Einräumung einer Lizenz gegenüber einer Drittperson, die unvereinbar mit einer bereits bestehenden Lizenz ist, unter Art. 34 Abs. 3

Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin nach eigener Darstellung vor allem um Vormerkung der Lizenz ersucht, um einer erneuten Lizenzerteilung durch den Beschwerdegegner zuvorzukommen.
3.3 Beide Streitfragen waren in der schweizerischen Rechtsprechung bisher nicht zu beantworten. Auch im vorliegenden Fall ist nicht zu entscheiden, wie es sich damit verhält. Denn die zitierte Literatur ist sich darin einig, dass eine Vormerkung dem Lizenznehmer in jedem Fall einen besonderen materiellen Schutz gegenüber Erwerbern von Rechten am Patent verschafft, auch wenn über den Typ und Umfang dieses Schutzes keine Einhelligkeit besteht (z.B. HILTY, a.a.O., S. 325, WEINMANN, a.a.O., S. 137, 188, VON BÜREN, a.a.O., S. 334, REY, a.a.O., S. 237). Von dieser Voraussetzung geht auch die Vorinstanz aus, wenn sie in der Vernehmlassung ausführt, die Eintragung einer Lizenz in das Register begründe subjektive Rechtsansprüche des eingetragenen Lizenznehmers. Gleiches behauptet sinngemäss der Beschwerdegegner, wenn er geltend macht, dass ihm aufgrund der Vormerkung ein grosser Schaden drohe.
3.4 Allerdings ist zugleich davon auszugehen, dass mit einem Wegfall der Lizenz wegen gültiger Vertragsauflösung, ungeachtet der Rechtsnatur der Lizenz und der Einordnung ihres besonderen Rechtsschutzes nach Art. 34 Abs. 3






3.5 Da dem Beschwerdegegner aus einer unrechtmässigen Eintragung der Lizenz kein materieller Rechtsverlust droht, die Beschwerdeführerin im Fall einer unrechtmässigen Nichteintragung aber einen solchen erleiden kann, ist auch der Ansicht der Vorinstanz nicht zu folgen, dass die Eintragung der Lizenz "unrichtig" gewesen sei, weil zwischen den Parteien eine Meinungsverschiedenheit über die Gültigkeit des Vertrags besteht, und dass die Beschwerdeführerin verpflichtet war, die Vorinstanz über diese in Kenntnis zu setzen. Art. 105


3.6 Dieses Bestehen der Lizenz und somit die Gültigkeit des eingereichten Lizenzvertrags hat die Vorinstanz, worauf sie zurecht hinweist, auch materiell kursorisch zu prüfen und den Lizenzgeber zur Stellungnahme einzuladen, wenn sich aus dem Vertrag oder den Umständen Zweifel ergeben. Hierzu gehört zwar auch die Kontrolle, ob der Vertrag eine Vormerkung im Register untersagt, was die Parteien in Abweichung von Art. 105


Im vorliegenden Fall wurde die für die Gültigkeit des Vertragsrücktritts und der Vertragskündigung kausale Zahlung der Lizenzgebühr fristgerecht ausgelöst, dem Beschwerdegegner aber erst nach Ablauf der Nachfrist gutgeschrieben. Bevor dispositive Geldleistungsregeln auf diesen Zahlungsvorgang angewendet werden (z.B. Art. 77 Abs. 3

3.7 Die Unsicherheit über die materielle Gültigkeit der Lizenz ist mithin, unter Berücksichtigung des Interesses des Patentinhabers an der freien Verfügbarkeit seines Patents einerseits, jedoch aufgrund des Sicherungsinteresses des Lizenznehmers gemäss Art. 34 Abs. 3

3.8 Da Art. 34 Abs. 3


4.
Zu keinem anderen Ergebnis führt ein Vergleich der registerrechtlichen Auswirkungen der Vormerkung. Solange eine ausschliessliche Lizenz im Register vorgemerkt ist, dürfen für das gleiche Patent keine Lizenzen vorgemerkt werden, die mit der ausschliesslichen Lizenz nicht vereinbar sind (Art. 105 Abs. 2



5.
Aus diesen Gründen ist die Beschwerde gutzuheissen, und die angefochtene Widerrufsverfügung ist aufzuheben. Die Anweisung, die Vormerkung wieder einzutragen, erübrigt sich, da die Vormerkung superprovisorisch bereits wieder eingetragen wurde. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem unterliegenden Beschwerdegegner aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1

Die Gerichtsgebühren sind nach Umfang und Schwierigkeit der Streitsache, Art der Prozessführung und finanzieller Lage der Parteien festzulegen (Art. 63 Abs. 4bis



6.
Der Beschwerdeführerin ist eine angemessene Parteientschädigung zulasten des Beschwerdegegners zuzusprechen (Art. 64 Abs. 1



Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und die Verfügung vom 13. Februar 2009 wird aufgehoben.
2.
Das Eventualbegehren des Beschwerdegegners um Anordnung einer Sicherheitsleistung wird abgewiesen.
3.
Die Verfahrenskosten von Fr. 4'000.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt und sind innert 30 Tagen nach Eintritt der Rechtskraft des vorliegenden Urteils zu Gunsten der Gerichtskasse zu überweisen. Die Zustellung des Einzahlungsscheins erfolgt mit separater Post. Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 4'500.- wird der Beschwerdeführerin nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils zurückerstattet.
4.
Der Beschwerdegegner hat der Beschwerdeführerin für das Beschwerdeverfahren eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.- (inkl. MWST) auszurichten.
5.
Dieses Urteil geht an:
die Beschwerdeführerin (Gerichtsurkunde; Beilage: Rückerstattungsformular)
den Beschwerdegegner (Gerichtsurkunde)
die Vorinstanz (Ref-Nr. EP 01100395/6/muc; Gerichtsurkunde)
das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement
Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:
David Aschmann Philipp J. Dannacher
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in Zivilsachen geführt werden (Art. 72 ff


Versand: 10. Juli 2009