121 IV 150
26. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 8. Juni 1995 i.S. Firma F. AG gegen S. und G. (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste (de):
- Art. 30
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 30 - 1 Ist eine Tat nur auf Antrag strafbar, so kann jede Person, die durch sie verletzt worden ist, die Bestrafung des Täters beantragen.
1 Ist eine Tat nur auf Antrag strafbar, so kann jede Person, die durch sie verletzt worden ist, die Bestrafung des Täters beantragen. 2 Ist die verletzte Person handlungsunfähig, so ist ihr gesetzlicher Vertreter zum Antrag berechtigt. Steht sie unter Vormundschaft oder unter umfassender Beistandschaft, so steht das Antragsrecht auch der Erwachsenenschutzbehörde zu.21 3 Ist die verletzte Person minderjährig oder steht sie unter umfassender Beistandschaft, so ist auch sie zum Antrag berechtigt, wenn sie urteilsfähig ist.22 4 Stirbt die verletzte Person, ohne dass sie den Strafantrag gestellt oder auf den Strafantrag ausdrücklich verzichtet hat, so steht das Antragsrecht jedem Angehörigen zu. 5 Hat eine antragsberechtigte Person ausdrücklich auf den Antrag verzichtet, so ist ihr Verzicht endgültig. - Ein bewusst auf einzelne von mehreren Tatbeteiligten beschränkter Strafantrag kann angesichts des Grundsatzes der Unteilbarkeit und der Folgen von dessen Missachtung einen Widerspruch in sich selbst darstellen. In einem solchen Fall muss die Behörde daher den Antragsteller darüber belehren, dass nach dem Gesetz entweder alle Tatbeteiligten zu verfolgen sind oder aber kein Tatbeteiligter verfolgt werden kann, und muss sie abklären, was er will. Erst wenn klar ist, dass er die im Antrag nicht genannten Tatbeteiligten dennoch vor der Strafverfolgung verschonen will, darf der Strafantrag als ungültig angesehen werden (E. 3a).
Regeste (fr):
- Art. 30 CP; dépôt d'une plainte pénale en cas de pluralité de participants, principe de l'indivisibilité.
- Une plainte pénale déposée volontairement contre certains seulement des participants à une infraction, contient en soi une contradiction au regard du principe de l'indivisibilité et des conséquences de la violation de celui-ci. Dans une telle hypothèse, l'autorité doit informer le plaignant de ce que, conformément à la loi, tous les participants doivent être poursuivis ou aucun, et elle doit déterminer quelles sont ses intentions. Lorsqu'il est patent que le plaignant entend épargner ceux qui ne sont pas désignés dans la plainte, celle-ci doit être déclarée non-valable (consid. 3a).
Regesto (it):
- Art. 30 CP; querela penale in caso di più compartecipi al reato, principio dell'indivisibilità.
- Una querela penale presentata volontariamente solo contro alcuni dei compartecipi al reato è, avuto riguardo al principio dell'indivisibilità e alle conseguenze della sua violazione, di per sé contraddittoria. In una tale ipotesi, l'autorità deve informare il querelante che, ai sensi di legge, tutti i compartecipi vanno perseguiti o nessuno di essi, e deve determinare quali siano le sue intenzioni. La querela va considerata non valida allorquando sia evidente che il querelante intende escludere dal perseguimento penale coloro che non sono in essa menzionati (consid. 3a).
Sachverhalt ab Seite 150
BGE 121 IV 150 S. 150
A.- Mit Eingabe vom 11. Februar 1993 reichte die Firma F. AG gegen S. Strafantrag wegen Verletzung des Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisses (Art. 162

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 162 - Wer ein Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnis, das er infolge einer gesetzlichen oder vertraglichen Pflicht bewahren sollte, verrät, |
BGE 121 IV 150 S. 151
abgeschrieben und für den Betrieb der Firma E. AG verwendet haben. Im Schreiben vom 10. Mai 1993 wird zudem mitgeteilt, dass S. nicht nur zum Nachteil der Firma F. AG, sondern auch zum Nachteil der Firma J. AG Geschäftsgeheimnisse an die Firma E. AG verraten habe. Die Geheimnisverletzungen zum Nachteil der Firma F. AG habe S. allein, die Geheimnisverletzungen zum Nachteil der Firma J. AG habe er gemeinsam mit T. begangen, der früher bei der Firma J. AG gearbeitet habe und von S. für die Firma E. AG abgeworben worden sei. Trotz dieser Vorwürfe im Schreiben vom 10. Mai 1993 wurde der Strafantrag nicht auch gegen T. gerichtet; vielmehr wurde T. als Zeuge angerufen.
Am 28. Mai 1993 reichte die Firma F. AG gegen S. zusätzlich Strafantrag wegen Widerhandlungen gegen Art. 3

SR 241 Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) UWG Art. 3 - 1 Unlauter handelt insbesondere, wer: |

SR 241 Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) UWG Art. 4 Verleitung zu Vertragsverletzung oder -auflösung - Unlauter handelt insbesondere, wer: |

SR 241 Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) UWG Art. 5 Verwertung fremder Leistung - Unlauter handelt insbesondere, wer: |
B.- Die Rekurskommission der Zürcher Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren gegen S. und G. wegen unlauteren Wettbewerbs mit der Begründung ein, dass der Strafantrag wegen Missachtung des Grundsatzes der Unteilbarkeit ungültig sei. Die Firma F. AG ficht diesen Entscheid mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde an.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3. a) aa) Stellt ein Antragsberechtigter gegen einen an der Tat Beteiligten Strafantrag, so sind alle Beteiligten zu verfolgen (Art. 30

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 30 - 1 Ist eine Tat nur auf Antrag strafbar, so kann jede Person, die durch sie verletzt worden ist, die Bestrafung des Täters beantragen. |
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1 | Ist eine Tat nur auf Antrag strafbar, so kann jede Person, die durch sie verletzt worden ist, die Bestrafung des Täters beantragen. |
2 | Ist die verletzte Person handlungsunfähig, so ist ihr gesetzlicher Vertreter zum Antrag berechtigt. Steht sie unter Vormundschaft oder unter umfassender Beistandschaft, so steht das Antragsrecht auch der Erwachsenenschutzbehörde zu.21 |
3 | Ist die verletzte Person minderjährig oder steht sie unter umfassender Beistandschaft, so ist auch sie zum Antrag berechtigt, wenn sie urteilsfähig ist.22 |
4 | Stirbt die verletzte Person, ohne dass sie den Strafantrag gestellt oder auf den Strafantrag ausdrücklich verzichtet hat, so steht das Antragsrecht jedem Angehörigen zu. |
5 | Hat eine antragsberechtigte Person ausdrücklich auf den Antrag verzichtet, so ist ihr Verzicht endgültig. |
BGE 121 IV 150 S. 152
Prozessrecht, etwa im Privatstrafklageverfahren, eine formelle Anklage gegen jeden der Beteiligten erforderlich ist (BGE 80 IV 209 E. 2; vgl. auch BGE 86 IV 145 E. 2). Art. 30

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 30 - 1 Ist eine Tat nur auf Antrag strafbar, so kann jede Person, die durch sie verletzt worden ist, die Bestrafung des Täters beantragen. |
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1 | Ist eine Tat nur auf Antrag strafbar, so kann jede Person, die durch sie verletzt worden ist, die Bestrafung des Täters beantragen. |
2 | Ist die verletzte Person handlungsunfähig, so ist ihr gesetzlicher Vertreter zum Antrag berechtigt. Steht sie unter Vormundschaft oder unter umfassender Beistandschaft, so steht das Antragsrecht auch der Erwachsenenschutzbehörde zu.21 |
3 | Ist die verletzte Person minderjährig oder steht sie unter umfassender Beistandschaft, so ist auch sie zum Antrag berechtigt, wenn sie urteilsfähig ist.22 |
4 | Stirbt die verletzte Person, ohne dass sie den Strafantrag gestellt oder auf den Strafantrag ausdrücklich verzichtet hat, so steht das Antragsrecht jedem Angehörigen zu. |
5 | Hat eine antragsberechtigte Person ausdrücklich auf den Antrag verzichtet, so ist ihr Verzicht endgültig. |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 30 - 1 Ist eine Tat nur auf Antrag strafbar, so kann jede Person, die durch sie verletzt worden ist, die Bestrafung des Täters beantragen. |
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1 | Ist eine Tat nur auf Antrag strafbar, so kann jede Person, die durch sie verletzt worden ist, die Bestrafung des Täters beantragen. |
2 | Ist die verletzte Person handlungsunfähig, so ist ihr gesetzlicher Vertreter zum Antrag berechtigt. Steht sie unter Vormundschaft oder unter umfassender Beistandschaft, so steht das Antragsrecht auch der Erwachsenenschutzbehörde zu.21 |
3 | Ist die verletzte Person minderjährig oder steht sie unter umfassender Beistandschaft, so ist auch sie zum Antrag berechtigt, wenn sie urteilsfähig ist.22 |
4 | Stirbt die verletzte Person, ohne dass sie den Strafantrag gestellt oder auf den Strafantrag ausdrücklich verzichtet hat, so steht das Antragsrecht jedem Angehörigen zu. |
5 | Hat eine antragsberechtigte Person ausdrücklich auf den Antrag verzichtet, so ist ihr Verzicht endgültig. |
BGE 121 IV 150 S. 153
von Treu und Glauben und aus Gründen der Prozessökonomie insoweit eine Aufklärungs- und Belehrungspflicht gegenüber dem Strafantragsteller. Weder darf die Behörde einen solchen Strafantrag kurzerhand wegen Verletzung des Grundsatzes der Unteilbarkeit für ungültig erklären, noch soll sie ohne weiteres ein Verfahren gegen alle Tatbeteiligten durchführen in der Überlegung, dass es dem Antragsteller unbenommen bleibe, den Strafantrag gemäss Art. 31

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 31 - Das Antragsrecht erlischt nach Ablauf von drei Monaten. Die Frist beginnt mit dem Tag, an welchem der antragsberechtigten Person der Täter bekannt wird. |
Ein Strafantrag, in dem nicht alle an der eingeklagten Tat Beteiligten genannt werden, darf somit erst dann wegen Verletzung des Grundsatzes der Unteilbarkeit für ungültig erklärt werden, wenn feststeht, dass der Strafantragsteller trotz seiner Belehrung über diesen Grundsatz und die Folgen von dessen Missachtung die im Strafantrag nicht genannten Tatbeteiligten vor der Strafverfolgung verschonen will. Die Rechtsprechung ist in diesem Sinne weiterzuentwickeln. b) Die Vorinstanz hält unter Hinweis auf ihre Ausführungen zum Strafantrag der Beschwerdeführerin wegen Verletzung des Geschäftsgeheimnisses fest, aufgrund der Akten sei davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin "mit Bezug auf T. bewusstermassen von der Stellung eines Strafantrages abgesehen" habe. "Die mit Bezug auf die Person von T. rechtsrelevante Unterlassung" wirke sich "angesichts des Umstandes, dass T. und S. gleichmassgeblich zugunsten der Firma E. AG tätig waren, auch mit Bezug auf diesen letzteren aus". In den Ausführungen zum Strafantrag wegen Verletzung des Geschäftsgeheimnisses wird festgehalten, die Beschwerdeführerin habe T. wiederholt als Zeugen angerufen und ihn unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung des Konkurrenzverbots stets sehr wohlwollend behandelt, ihn namentlich im Rahmen eines beim Arbeitsgericht Zürich gegen S. hängigen,
BGE 121 IV 150 S. 154
praktisch das gleiche Beweisthema beinhaltenden Zivilprozesses nicht weiter tangiert; auch daraus ergebe sich, dass T. von der Beschwerdeführerin "bewusst aus dem Strafverfahren herausgehalten worden" sei. Mit diesen Erwägungen kann die Ungültigkeit des Strafantrags gegen S. wegen Widerhandlungen gegen das UWG nicht begründet werden. Zwar mag einiges dafür sprechen, dass die Beschwerdeführerin T. tatsächlich vor einer Strafverfolgung verschonen wollte. Das reicht aber gemäss den vorstehenden Erwägungen nicht aus. Weder wurde die Beschwerdeführerin in geeigneter Form über die rechtlichen Folgen einer persönlichen Beschränkung des Strafantrags belehrt, noch hat die Vorinstanz abgeklärt, ob die Beschwerdeführerin ihren allfälligen Willen, T. vor einer Strafverfolgung zu verschonen, in Kenntnis der rechtlichen Folgen einer solchen Beschränkung des Strafantrags, also irrtumsfrei, gebildet habe. Die Sache ist daher in teilweiser Gutheissung der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde in diesem Punkt zur neuen Entscheidung im Sinne der vorstehenden Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. c) Auch wenn sich im neuen Verfahren wiederum ergeben sollte, dass der Strafantrag der Beschwerdeführerin gegen S. wegen Widerhandlungen gegen das UWG persönlich beschränkt war, wäre er keineswegs schlechthin ungültig. Infolge Missachtung des Grundsatzes der Unteilbarkeit ungültig wäre der Strafantrag nur, soweit er allenfalls Widerhandlungen gegen das UWG erfasst, an denen T. beteiligt war, und soweit die Beschwerdeführerin um diese Beteiligung wusste. Der Strafantrag gegen S. wegen Widerhandlungen gegen das UWG bliebe dagegen gültig, soweit er allenfalls auch Widerhandlungen erfasst, an denen T. nicht beteiligt war; insoweit läge eine zulässige sachliche Beschränkung des Strafantrags auf die von S. ohne Beteiligung des T. allenfalls begangenen Widerhandlungen gegen das UWG vor. Der Strafantrag bliebe sodann insoweit gültig, als T. an den Widerhandlungen des S. gegen das UWG zwar beteiligt war, die Beschwerdeführerin aber um diese Beteiligung nicht wusste; insoweit läge keine bewusste persönliche Beschränkung und somit keine unzulässige Beschränkung des Strafantrags vor, ausser die Beschwerdeführerin würde auch nach Kenntnis der Beteiligung von T. an der persönlichen Beschränkung des Strafantrags festhalten. Dem angefochtenen Entscheid kann nicht entnommen werden, wie es sich insoweit in tatsächlicher Hinsicht verhält. Die Vorinstanz wird sich damit im neuen Verfahren ebenfalls befassen müssen.
BGE 121 IV 150 S. 155
d) Nach Auffassung der Vorinstanz ist auch der Strafantrag der Beschwerdeführerin gegen G. vom 1. November 1993, soweit er Widerhandlungen gegen das UWG betrifft, wegen Missachtung des Grundsatzes der Unteilbarkeit ungültig. Das von der Beschwerdeführerin "dokumentierte Desinteresse an der Strafverfolgung von T." wirke sich nämlich "aus den bereits erwähnten Gründen nicht bloss gegenüber S. aus, sondern ebensosehr gegenüber G.". Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Die Erwägungen betreffend die Gültigkeit bzw. teilweise Gültigkeit des Strafantrags der Beschwerdeführerin gegen S. gelten entsprechend für den Strafantrag gegen G.. Es kann daher auf jene Ausführungen (E. 3a-c) verwiesen werden. Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ist daher auch in diesem Punkt im Sinne der Erwägungen gutzuheissen.